Das Unternehmen hat seit Anfang des Jahres knapp dreiviertel seines Werts verloren. Im Tief waren es sogar kurzzeitig minus 80 %.

Während die purzelnden Kurse die negative Nachrichtenlage unentwegt befeuern, werfen immer mehr Anleger verzweifelt das Handtuch, um sich vor weiteren Kursverlusten zu schützen. Auch wenn der Aktienkurs bereits massiv eingebrochen ist, wird angenommen, dass der Kurs noch viel tiefer fällt.

Ein typisches Unterfangen. Verkäufe lösen weitere Verkäufe aus. Im Endeffekt machen die Kurse die News. Diese Abwärtsspirale wird sich so lange fortführen, bis die letzten verzweifelten Anleger aufgegeben haben.

Ein gigantischer Markt

Chewy ist ein schnell wachsender Online-Tierfutterhändler aus den USA. Auf der Plattform können zudem noch eine Vielzahl von komplementären Produkten wie Spielzeuge, Medikamente und Accessoires gekauft werden. Das für sich allein genommen wäre schon ein großer Markt. Aber Chewy geht noch einen Schritt weiter.

Die Zusammenarbeit mit Trupanion, einem Tierversicherungsspezialisten, steht schon in den Startlöchern und wird im zweiten Quartal 2022 gestartet. Kunden können also über die Chewy-Plattform eine Versicherung für ihr Tier abschließen.

Dass der Markt für Tierversicherungen interessant sein könnte, lässt sich leicht nachvollziehen. Der U.S. Tierversicherungsmarkt ist aktuell ca. 2,5 Mrd. USD groß und deckt gerade einmal drei Prozent aller Tiere ab. Weil Haustiere einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen, zählen sie quasi schon als Familienmitglied.

Mit der Zusammenarbeit mit Trupanion könnte also zukünftig neue Umsatzströme generiert werden. Aber auch vor der Zusammenarbeit lief es bei Chewy sehr ordentlich.

Die Kundenbindung ist top

Die Anzahl der aktiven Kunden erhöhte sich im vergangenen Quartal um 4,2 % auf 20,6 Millionen. Der durchschnittliche Umsatz je Kunde stieg um 14,9 % auf 446 USD.

Haben Tierbesitzer einmal das passende Futter gefunden, gehen sie in der Regel zu einem Abo-Modell über. Das ist günstiger und vereinfacht den Alltag. Mittlerweile betragen die wiederkehrenden Umsätze durch Abos 71,2 % vom Gesamtumsatz.

Die Kundenbindung ist ohnehin sehr stark. Hat Chewy das Vertrauen eines Kunden gewonnen, kann das Unternehmen davon ausgehen, dass dieser Kunden mit der Zeit immer mehr Waren bestellt.

Eine Auswertung ergab, dass Neukunden im ersten Jahr weniger als 200 USD ausgeben. Im zweiten Jahr sind es über 400 USD und ungefähr 700 USD im fünften Jahr. Noch älter Kunden geben sogar über 1.000 USD aus.

In Zahlen bedeutet das, dass der Umsatz von 2016 bis heute von 901 Mio. USD auf 9,18 Mrd. USD verzehnfacht werden konnte. Die Bruttomarge verbesserte sich im selben Zeitraum von 16,6 auf 26,7 %. Mit einem Nettoverlust von 94 Mio. USD ist der Sprung in die Profitabilität nicht mehr weit.

Die Verwässerung ist in Relation zum Wachstum zu vernachlässigen. Seit dem Börsengang ist die Zahl der ausstehenden Aktien von 396 auf nur 420 Millionen Stück gestiegen.

Wachstum wird nicht für immer „out“ sein

Da das Geschäft im Grunde nicht kapitalintensiv ist, konnte das Wachstum aus dem operativen Geschäft finanziert werden. Mit 605 Mio. USD an Barmitteln besitzt das Unternehmen noch genügend Kapital in der Hinterhand und übertrifft die langfristigen Schulden.

Worauf es bei Wachstumsunternehmen besonders ankommt, ist ohnehin der operative Cashflow. Dieser wuchs von sieben Mio. auf zuletzt 176 Mio. USD an. Dennoch werden kaum freie Cashflows erwirtschaftet. Das liegt daran, dass das Unternehmen eine Wachstumsstrategie verfolgt und seine Infrastruktur auf neue automatisierte, auf Effizienz getrimmte Verteilzentren ausbaut.

Die neue Verteilzentren haben einen bis zu 60 % höheren Durchsatz und sind im Schnitt 19 % günstiger, als die der ersten Generation.

Interessant ist auch die Feststellung, dass Chewy über die letzten Quartale ein negatives Working Capital vorweist. Das bedeutet, dass die Lieferanten das Wachstum von Chewy quasi im Voraus finanzieren. Solange das Wachstum weiter anhält, stellt dieser Fakt kein wesentliches Problem dar.

Ausblick und Bewertung

Aufgrund der Tatsache, dass Chewy noch keine Gewinne meldet, kann die P/E nicht herangezogen werden. Bei Wachstumsunternehmen ist sie ohnehin nicht maßgeblich.

Darf man den Prognosen Glauben schenken, wird für das laufende Geschäftsjahr ein operativer Cashflow je Aktie von 0,52 USD erwartet. Demnach kommt Chewy auf eine forward P/OCF von 54. Das ist sicherlich kein Schnäppchen.

Auf Basis der Umsätze liegt das KUV derzeit bei 1,36.

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Management einen Umsatz von 10,2 – 10,4 Mrd. USD.

Das entspricht einem Umsatzwachstum von 15 – 17 %.

Das KUV würde dann auf 1,21 sinken. In den letzten drei Jahren lag das KUV im Schnitt bei 3,6.

Die deutliche Verlangsamung des Wachstums sowie die fehlende Profitabilität scheinen der Grund für den Kurssturz zu sein.

Blick auf den Chart

Chewy ist auf sein Allzeittief zurückgekehrt. Die Unterstützung bei 22,44 USD hat zunächst gehalten.

Gelingt der Ausbruch über 30 USD, kann es zu einer Erholung in Richtung 35 USD kommen. Darüber hinaus wären Kursziele von 46 USD möglich.

Unter 22,44 USD sollte die Aktie nicht nachhaltig fallen. Trifft dieses Szenario dennoch ein, dürften einige Stop-Loss Marken greifen, was den Kurs in ein Niemandsland schicken dürfte.

Chewy (WKN: A2PL6S) - Chart vom 11.06.2022 – Kürzel: CHWY Kurs: 28,78 USD - Wochenkerzen

Anm d. Red.:  Die kritische Betrachtung des Titels am 17.12.2020 hier auf Cashkurs war mit Blick auf den Chart gut getimed

 


Risikohinweis

Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken, bietet keine Anlageberatung und empfiehlt nicht den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Hinweis auf zukünftige Ergebnisse.

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Dirk Müller sowie die Finanzethos GmbH haben sich verpflichtet den Kodex des Deutschen Presserates für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten einzuhalten. Der Verhaltenskodex untersagt die Ausnutzung von Insiderinformationen und regelt den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten. Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird jährlich überprüft. Dies gilt auch für die für Dirk Müller oder für die Finanzethos GmbH tätigen freien Journalisten.

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