Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Pagseguro, hervorgegangen aus einem Spin-Off des brasilianischen Internet-Konzerns UOL, ist ein in Brasilien tätiger Zahlungsabwickler. Das Mutterunternehmen hält auch nach der Ausgliederung noch 36,55 Prozent an Pagseguro.

Das Geschäft rund um Zahlungsabwicklungen ist vor allem deshalb interessant, da sich dieses problemlos hochskalieren lässt, bei einer gleichzeitig nur unwesentlich steigenden Kostenbasis. Denn wenn erst einmal die Infrastrukturen zur Abwicklung stehen, ist es irrelevant, ob man jetzt 100 Millionen oder eine Milliarde an Umsätzen abwickelt.

Der brasilianische Markt ist zudem vergleichsweise wenig erschlossen und bietet dadurch eine ordentliche Prise Wachstumsfantasie. Die Story rund um Pagseguro sollte also reichlich Potenzial bieten.

Ursprünglich machte man es sich zum Ziel, Kleinstunternehmer mit Bezahlsystemen zu versorgen, damit diese ihren Kunden Kartenzahlungen anbieten können. Stand Dezember 2022 zählen bereits 7,3 Millionen Händler auf die Dienste von Pagseguro.

Inzwischen ist man auch dazu übergegangen, größere Unternehmen als Kunden zu akquirieren. Und mit eigenen Banking-Dienstleistungen rund um ‚PagBank‘ erreichte man Stand Q3 26 Millionen Kunden, die auf Kontoführung, Anlageprodukte, Kreditkarten, Versicherungen, Darlehen und weitere Dienstleistungen zurückgreifen können. Damit ist man die Nummer 2 hinter NuBank (64,8 Millionen Kunden) und wird den konventionellen brasilianischen Banken in den nächsten Jahren vermutlich noch einiges an Kopfschmerzen bereiten.

Quelle: Unternehmenspräsentation Dezember 2022

Die alteingesessenen brasilianischen Banken haben es sich in den letzten Jahren bequem gemacht und kaum in Kundenservice und innovative Lösungen investiert. Die rapiden Marktanteilsgewinne durch unbürokratische und günstige Neo-Banken kommt also nicht von ungefähr

Neben der noch stark beteiligten Mutter unterhält noch die Fondsgesellschaft Fidelity mit über neun Prozent eine stolze Beteiligung an Pagseguro. Zwar sollte man Institutionellen Investoren niemals blind hinterherlaufen. Da Fidelity einen guten Ruf als Stockpicker genießt, hat der Umstand aber durchaus Gewicht.

 

 

 

Quelle: terminal.stock3.com

Kein einfacher Chart - Die Aktie arbeitet gerade an einem Boden. Wirklich überzeugend sieht es allerdings erst bei einer Überwindung der Gap-Oberkante bei zwölf Dollar aus. Aber auch jenseits dieser Marke ist der Chart nur so von Widerständen übersät. Ein kurzfristiges Kaufsignal würde bei Kursen über 10,80 USD entstehen. Auf der Unterseite muss die Unterstützung bei 8,20 USD und das Allzeittief bei 7,50 nun halten. Sonst wird es zappenduster!

 

Quelle: terminal.stock3.com

Dem Konkurrenten StoneCo ist es ebenso wenig gut ergangen. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass während Börsenkorrekturen Auslands- bzw. Schwellenländerinvestments aufgrund des berühmt-berüchtigten Home-Bias bzw. der hohen Schwankungsbreite als erstes aufgelöst werden. Die hohe Bewertung gepaart mit rückläufigen Gewinnen aufgrund stark gestiegener Zinsen wirkten als Brandbeschleuniger.

 

 

 

Bewertung

Immer und ausnahmslos werden Aktien mit zu hohen Bewertungen früher oder später die Flügel gestutzt. So auch bei Pagseguro, welche Anfang 2021 noch mit einem KGV von 80 bewertet wurde. Ein Jahr und 85 Prozent Kursverlust später sieht es inzwischen nach einer Übertreibung auf der Unterseite aus.

Anhand der Schätzungen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 – welche aufgrund der bereits drei im Kasten befindliche Quartale verlässlich sein sollten – firmiert der Titel nun bei einem KGV von 10,1. Eine abkühlende brasilianische Wirtschaft sowie das länderspezifische Risiko sollten mit dieser günstigen Bewertung berücksichtigt sein.

Angenommen, der Markt würde der Aktie künftig keine Bewertungsaufschläge mehr zuerkennen, könnte man also mit einer langfristig gemittelten Rendite rechnen, welche im Bereich des Gewinnwachstums liegt. In den vergangenen fünf Jahren lag dieses bei stolzen 25 Prozent. Sogar, wenn man von einer Halbierung dieser Wachstumsraten ausgehen würde, ergeben sich weiterhin ausgesprochen attraktive langfristige Renditechancen.

Bilanz und Verschuldung

Bilanziell ist man gut gesattelt und unterm Strich schuldenfrei. Je stärker man ins Bankgeschäft expandiert, desto mehr Gewicht erhalten weitere Kennzahlen wie der Stand der Kundeneinlagen (Stand Q3: 19,4 Milliarden Real) sowie ausstehende Kredite (2,7 Milliarden Real). Das Kreditportfolio fällt also wesentlich geringer aus als die Kundeneinlagen, weshalb man von dieser Seite nichts zu befürchten hat.

In den kommenden Quartalen möchte das Management zudem auch bessere Transparenz bezüglich rückständiger Kreditzahlungen, sogenannter ‚non performing loans‘ (NPL) liefern. Ende 2021 sprach man hier von einer geringen doppelstelligen Prozentzahl. Seitdem soll sich die Quote stetig verringert haben.

Profitabilität

Aufgrund der zuvor angesprochenen Skalierbarkeit handelt es sich um ein ausgesprochen einträgliches Geschäft. Leider konnte man zuletzt nicht mehr auf die Profitabilitätsrekorde aus 2018 und 2019 anknüpfen.

Da man seinen Kunden gegen Gebühr anbietet, dass diese über Einnahmen mittels Kartenzahlungen sofort verfügen können, muss man diese vorgestreckten Beträge vorfinanzieren. Aufgrund der explosionsartigen Zinserhöhungen durch die brasilianische Zentralbank (März 2021: 2,75 %, März 2022: 11,75 %, aktuell 13,75%) konnte man die steigenden Finanzierungskosten nur teilweise bzw. nur mit starkem Zeitverzug an seine Kunden weiterreichen.

Über eine Nettomarge von knapp zehn Prozent darf man aber trotzdem nicht murren.

Wachstum

 

Pagseguro wächst nach wie vor schneller als die Branche. So wuchs Pagseguro‘s Payment-Bereich in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um 50 Prozent, während der gesamte brasilianische Payment-Sektor ‚nur‘ um 30 Prozent zulegen konnte.

Auch im Bankinggeschäft läuft der Motor auf allen Zylindern. Gegenüber dem dritten Quartal 2021 kam es zu einem Anstieg der Kundengelder um 171 Prozent. Das Kreditportfolio wuchs derweil unterproportional um 71 Prozent, was für eine vorsichtigere Kreditvergabe spricht. Das muss nicht schlecht sein.

Trotz der bereits erreichten Größe besteht weiterhin deutliches Potenzial. So nutzten laut Daten der Weltbank im Jahr 2021 lediglich 55 Prozent der Brasilianer Karten als Zahlungsmittel. Zum Vergleich beträgt die Quote in den USA 88 Prozent, in Großbritannien sogar 93 Prozent.

 

Die weitere Entwicklung bei Pagseguro hängt stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens zusammen. Die Tendenzen sehen gar nicht mal so schlecht aus. Die Arbeitslosigkeit liegt inzwischen bei 8,1 Prozent, dem niedrigsten Stand seit 2015. Die Daten zur Wirtschaftsaktivität deuten zwar auch in Brasilien auf eine Verlangsamung hin. Von der Pandemie bzw. den Lockdowns sowie dem politischen Wirrwarr der vergangenen Jahre erholt man sich jedoch langsam, aber sicher. Und dank des Rohstoffreichtums und der Nicht-Beteiligung am westlichen Sanktionsregime gegenüber Russland besitzt man nicht unerhebliche strukturelle Vorteile, welche das Aufholpotenzial weiter bestärken.

Konkurrenz

Im Payment-Bereich ist StoneCo (WKN: A2N7XN) ein starker Konkurrent, im Bankgeschäft die von einem kolumbianischen Einwanderer gegründete NuBank (WKN: A3C82G).

StoneCo ist höher bewertet, dafür zuletzt aber auch wachstumsstärker als Pagseguro. NuBank verfügt über eine wesentlich größere Kundenbasis, ist dafür aber deutlich teurer bewertet.

Risiken

Das Geschäft ist durch die Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens ausgesprochen zyklisch. Wer hier investiert, sollte also auch immer wieder auf der Homepage der brasilianischen Zentralbank vorbeischauen, welche hervorragende und transparente Statistiken zur konjunkturellen Lage der Nation bereithält. Einen erfreulichen Datenpunkt stellt übrigens die Inflation dar, welche nach 12,13 Prozent im April 2022 inzwischen mit 5,77 Prozent wieder deutlich zurückgekommen ist.

Mit einer Investition in Pagseguro kauft man sich zusätzlich auch immer ein politisches Risiko ins Depot.

Porter’s Five Forces

Der Markt hat enormes Potenzial und ist deshalb auch für neue Konkurrenten interessant. Unter anderem versuchen sich der US-Zahlungsabwickler Block sowie Mercadolibre an einem Einstieg in den südamerikanischen Markt.

Innerhalb der Branche muss man sich vor den behäbigen konventionellen Banken nicht fürchten. Disruptive Konkurrenten wie NuBank oder StoneCo muss man aber auf dem Zettel haben. Für beide Faktoren gibt es aufgrund des noch riesigen zu erschließenden Marktes trotzdem nur zwei Punkte.

Da man nun ein etablierter Player ist, fällt auch das Substitutionsrisiko nicht ins Gewicht.

Dafür aber die Abhängigkeit vor dem Zinsgefüge sowie des konjunkturellen Umfelds in Brasilien, weshalb die Faktoren Abnehmer und Lieferanten mit vier bzw. drei Punkten in der Risikoklassifizierung versehen werden.

 

Mit Pagseguro kann man gleich auf zwei Wachstumsfelder setzen: Digitaler Zahlungsverkehr + Lateinamerika. Hohe Chancen gehen hier natürlich auch mit erhöhten Risiken einher. Denn alles steht und fällt mit der schwankungsanfälligen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in Brasilien.

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

Quellen: sentieo.com, www.investors.pagseguro.com, terminal.stock3.com

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.

 

 

 

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