Wladiwostok: „Bezwinger des Ostens“ - so wurde der Militärhafen am Pazifik von den damals übermütigen Zaren benannt. Mit dieser Namensgebung wurde auch der Anspruch der eurasischen Dynastie auf einen Zugang zum Stillen Ozean, ja auf die Weltherrschaft manifestiert.

Es war daher ein Menetekel, dass die aufstrebende Macht Japan dort 1905 beim Kampf um Korea die russische Pazifikflotte des letzten Zaren vernichtete und somit nicht nur den Niedergang der „weißen Weltherrschaft“ einleitete, sondern auch den der Romanows.

Wladiwostok, sieben Zeitzonen und über 9000 Kilometer von Moskau entfernt, ist die Hauptstadt der russischen Fernost-Region Primorje, welche nicht nur an den Pazifik, nicht nur an die Volksrepublik China, sondern auch an Nordkorea grenzt.

Erster gemeinsamer Gipfel an geschichtsträchtigem Ort

Es ist also kein Zufall, dass in dieser Metropole - wo einst das „Sammeln der russischen Erde“, wie man die Expansion der Moskowiter nach dem Ende des „Tatarenjochs“ in die unendlichen Weiten östlich des Urals nannte - der erste Gipfel zwischen dem Präsidenten Russlands Wladimir Putin und dem Machthaber Nordkoreas, Kim Jong-un, stattfindet.

Kim Jong-un, der mit seinem gepanzerten Sonderzug am gestrigen Mittwoch die nahe Grenze Nordkoreas zu Russland überquert hatte, war einige Stunden später in der russischen Pazifik-Metropole angekommen. “Ich freue mich, Sie hier zu sehen“, mit diesen Worten begrüßte der Kreml-Chef seinen Gast zu Beginn eines etwa zweistündigen Austausches, welcher sich unter hohen Sicherheitsvorkehrungen vollzog.

Eine gemeinsame Gipfelerklärung oder die Unterzeichnung von Vereinbarungen sind bisher nicht vorgesehen. Kim bleibt am Freitag in Wladiwostok und soll erst am Samstag heimreisen.

Das letzte Treffen zwischen den Staatsoberhäuptern Russlands und Nordkoreas vollzog sich 2011. Damals trafen der mittlerweile verstorbene Kim Jong II - der Vater des jetzigen Machthabers - sowie der damalige russische Präsidenten Dmitri Medwedew aufeinander.

Gemeinsame Interessen zwischen Moskau und Pjöngjang

Im Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit stehen zweifelsohne das umstrittene nordkoreanische Atomwaffen- und Raketenprogramm sowie die bilaterale Zusammenarbeit. Nach dem geplatzten Gipfel mit US-Präsident Trump in Hanoi vor zwei Monaten nähert sich Kim wieder den Russen an, basierend auf den geopolitischen Realitäten als auch auf den traditionell guten Beziehungen.

„Wir begrüßen Ihre Anstrengungen bei der Entwicklung des innerkoreanischen Dialogs und bei der Normalisierung der nordkoreanisch-amerikanischen Beziehungen“, äußerte der russische Präsident. Die Frage, was Russland tun kann, um die positiven Prozesse zu unterstützen, der Ausbau der Handelsbeziehungen und humanitäre Fragen stehen dabei im Mittelpunkt, ließ der Kreml verlautbaren.

Moskau ist wie Washington an einer nuklearen Entspannung auf der koreanischen Halbinsel interessiert, nicht jedoch an einem stärkeren Einfluss der USA dort, beispielsweise nach einem Kollaps des Regimes von Pjöngjang. Es ist daher anzunehmen, dass Kim bei seinem ersten Besuch der Atommacht Russland Sicherheitsgarantien fordern wird, sollte er sich auf Abrüstungsschritte einlassen.

Wachsende Spannungen mit den USA

Die letzte Begegnung mit Trump Ende Februar in Hanoi hatte sich zu einem Fiasko für die angeblichen außenpolitischen Erfolge des US-Präsidenten gestaltet. Auf die zentrale Frage der atomaren Abrüstung Nordkoreas konnten sich Trump und Kim nicht einigen.

Inzwischen ist von dem Tauwetter zwischen Nordkorea und den USA nicht mehr viel übrig.  Kurz vor dem Gipfel in Wladiwostok kritisierte Nordkorea die derzeit laufenden Militärübungen Südkoreas und der USA.

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