Netanjahus "Iran-Syndrom"

Israel führt Krieg gegen „iranische Ziele“, wo immer sich diese befinden, verkündet Netanjahu regelmäßig, oder „Iran hat nirgendwo Immunität. Unsere Kräfte operieren in jeder Richtung gegen die iranische Aggression“, womit die permanenten und völkerrechtswidrigen Angriffe auf das Territorium der Nachbarstaaten, vor allem Syrien, gerechtfertigt werden sollen.

Der Begriff“ Iran-Syndrom“ ist in diesem Zusammenhang keine Erfindung aus irgendwelchen antisemitischen Giftküchen, oder Ausdruck einer militanten antiisraelischen Grundhaltung, sondern wurde von dem ehemaligen Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Juval Diskin geprägt, der Netanjahu auch vor einigen Jahren messianische Gefühle gegenüber dem Iran vorwarf.

Diskin steht mit seiner Kritik nicht allein da, zahleiche hohe Vertreter aus dem Militär und der Politik äußerten sich in den vergangenen Jahren ähnlich. Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld umschrieb diese Ausgangslage in einem Interview mit dem Verfasser dieses Beitrages mit folgenden Worten:

Es gibt zwei Gründe, warum ich der Meinung bin, dass Israel nicht in Gefahr ist, von einem nuklear bewaffneten Iran angegriffen zu werden: Erstens besteht die wahre Motivation für eine mögliche nukleare Bewaffnung des Irans nicht in einer Konfrontation mit Israel, sondern sie dient der Selbstverteidigung für den Fall eines möglichen amerikanischen Angriffs. Zweitens besitzt Israel genug schlagkräftige Möglichkeiten, einen iranischen Angriff abzuwehren, sollte es dazu kommen. So suizidal ist die iranische Führung nicht veranlagt, um diese erwähnte Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Ich habe auch noch keinen erwähnenswerten Iran-Experten getroffen, der davon ausgeht, dass der Iran einen Atomkrieg gegen Israel plant. Die Gefahr einer iranischen Atombombe wird permanent übertrieben.“

Markante Äußerungen des russischen Botschafters

Benjamin Netanjahu, der innenpolitisch unter einem erheblichen Druck steht, versucht durch außenpolitische Prestige-Projekte die Flucht nach vorne. Diesbezüglich ist es auch erklärlich, wie nervös und überempfindlich die israelische Regierung auf die Äußerungen des russischen Botschafters reagierte.

Dieses mag auch in der Tatsache begründet liegen, dass die israelische Regierung von ihren westlichen Bündnispartnern kaum noch Kritik erfährt, egal was sie macht, weshalb die markanten Aussagen des russischen Botschafters wie eine Serie von Ohrfeigen wahrgenommen wurden.

In einem Interview mit der israelischen Zeitung Jerusalem Post hatte der russische Botschafter in Israel, Anatoli Viktorow, kürzlich erklärt, dass Israel den Nahen Osten mehr als Iran destabilisiere.

"Das Problem in der Region sind nicht die iranischen Aktivitäten", so Viktorow.

Unmittelbar nachdem das Interview veröffentlicht war, wurde der Botschafter zu einem Gespräch zitiert, um dessen Äußerungen über Israels Rolle im Nahen Osten zu kritisieren.

Moskau setzt nach – Israel reagiert verbittert

In Moskau wurde aber nicht um Entschuldigung gebeten, sondern darauf hingewiesen, dass „alle in der Veröffentlichung zitierten Äußerungen des russischen Botschafters im Einklang mit der bekannten Position Russlands zum Nahen Osten stehen", wie es die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa formulierte. Wörtlich ließ Frau Sacharowa verlautbaren:

"Wir sind verblüfft über die übermäßig empfindliche Reaktion auf die Themen, die im Interview mit unserem Botschafter in Israel besprochen wurden. Die darin dargelegte Position wurde den israelischen Kollegen bereits mehrfach auf verschiedenen Ebenen mitgeteilt. Alle in der Veröffentlichung zitierten Äußerungen des russischen Botschafters stehen im Einklang mit der bekannten Position Russlands zum Nahen Osten."

Sacharowa erklärte weiter, Russland habe seine ablehnende Haltung gegenüber israelischen Luftangriffen auf Ziele in Syrien nie verschwiegen. "Es ist schwer zu leugnen, dass solche Aktionen die ohnehin komplizierte regionale Situation weiter destabilisieren", fügte die Sprecherin hinzu.

Der russische Botschafter hatte im Interview zuvor gefordert, Israel dürfe die Gebiete souveräner UN-Mitglieder nicht angreifen.

"Es gibt keine Möglichkeit, dass wir israelische Angriffe auf syrischem Boden billigen, nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft", betonte Viktorow in dem Interview.

Israels Außenminister Gabi Aschkenasi vermerkte darauf verbittert:

"Ich denke, es gib keinen Zweifel, dass Israel diese Äußerungen nicht akzeptiert, und daher hoffe ich, dass wir solchen peinlichen und inakzeptablen Äußerungen zwischen uns und Russland ein Ende setzen werden."

„Was heißt das für mich konkret!?“

Viel weiter wird die israelische Regierung nicht gehen können, denn Russland verfügt über eine beträchtliche Macht im Nahen Osten, sowie über eine erhebliche Einflussnahme auf die politische Stimmung Israels durch russischsprachige Medien, denn knapp ein Fünftel aller Israelis sind in den letzten Jahrzehnten aus der Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten in Israel eingewandert. Die Worte des Botschafters kann man also bezüglich der außenpolitischen Extravaganzen der Netanjahu-Regierung als eine Art ausgleichende Balance betrachten.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"