Kaum Unterschiede zwischen Netanjahu und Gantz

Für Israel ging es um nichts, denn zwischen Netanjahu und seinem Herausforderer Benny Gantz bestehen kaum ideologische Unterschiede: Außen- und sicherheitspolitisch sind beide sogenannte Falken.

Gantz unterstützt Netanjahus Annexionsbestrebungen im Westjordanland. Möglicherweise würde sich Gantz im Konflikt mit Iran etwas diplomatischer verhalten, sicher ist dieses aber nicht, da die aufgebaute Droh-Kulisse, wonach Iran danach strebt Israel zu vernichten - eine These die von hohen israelischen Sicherheitsbeamten und Geheimdienstmitarbeitern regelmäßig widerlegt wird - Vorteile bietet und die regelmäßigen Luftschläge in den Nachbarländern zu rechtfertigen scheint.

Um alles geht vor allem für Netanjahu, nicht nur um den Verlust des Amtes als Premierminister. Netanjahu steht das Wasser bis zum Halse. Sollte er sein hohes Amt verlieren, wäre für die israelische Justiz der Weg frei, gegen den Politiker strafrechtlich vorzugehen, aufgrund der zahlreichen Korruptionsskandale, die mit seiner Amtszeit, seiner Person, sowie seinem engsten Umfeld verbunden sind.

Bibi kämpft um das Amt – plötzlich auch im Rahmen einer Großen Koalition

Es ist in diesem Zusammenhang nicht verwunderlich, dass Bibi, wie er im Volksmund genannt wird, alles möglich macht, um im Amt zu bleiben. Heute änderte Netanjahu seinen bisherigen Kurs und plädierte erstmals für die Bildung einer Großen Koalition, was er und seine Partei bis zum Wahlabend stets kategorisch ausgeschlossen haben. Er appellierte an seinen Herausforderer Gantz, sich einer breiten Koalition all jener Parteien anzuschließen, "denen der Staat Israel am Herzen liegt".

Im Rahmen dieser Formulierungen sind die arabischen Parteien, die gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen sind, da die immerhin 20 % der Bevölkerung Israels - die zur arabischen Minderheit gehören (Muslime, Christen, Drusen) - stärker als früher an den Wahlen partizipieren, kategorisch ausgeschlossen. Netanjahu meinte damit eine Koalition aus rechten und religiösen Parteien, was selbst säkularen Rechten zu weit geht.

 

Gantz, der die Liste Kachol-Lavan (Blau-Weiß) anführt, reagierte bisher gar nicht auf diese Offerte, zumal Netanjahu auch offen ließ, wer diese Koalition als Premierminister anführen soll.

Der jüngste Wahlgang wurde nötig, weil es Netanjahu nach der letzten Wahl im April nicht gelungen war, eine Koalition zu schmieden.

Von Patt zu Patt…

Auch jetzt ist wieder eine Pattsituation entstanden. Die extreme ethnokulturelle Heterogenität Israels, die Spaltung der jüdischen Gesellschaft in Aschkenasim und Sephardim (Juden orientalischer und westlicher Herkunft), in die Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion - etwa ein Fünftel der Bevölkerung - in Säkulare und Religiöse, plus der arabischen Minderheit, flankiert von einer niedrigen Sperrklausel, hat das Parteiensystem in den letzten Jahrzehnten zersplittert.

Wahlausgang zu Ungunsten Netanjahus

Die jüngste Wahl hat die Stärke der Parteien allerdings zuungunsten Netanjahus verändert. Das Wahlbündnis von Benny Gantz´ Blau-Weiß erhielt 33 Mandate, damit zwei mehr als der Likud vom Amtsinhaber.

 

Ausschlaggebend ist hierbei allerdings, dass der Mitte-Links-Block von Kachol-Lavan, gemäß der jetzigen Hochrechnungen, 57, damit zwei Sitze mehr in der Knesset hat, als der Mitte-Rechts-Block von Netanjahu.

Allerdings fehlt beiden Blöcken damit die notwendige Mehrheit von 61 Sitzen. Wenn sich diese Zahlen manifestieren, dann wird Benny Gantz von Staatspräsident Rivlin den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Für den liberalen Teil der israelischen Gesellschaft, aber auch bis weit im rechten Spektrum, würde dieses für Erleichterung sorgen. Dass Netanjahu trotz der seit vielen Jahren laufenden Ermittlungen bisher im Amt blieb, sorgt für Empörung.

Er selbst soll - so berichten israelische Medien - im engsten Mitarbeiterkreis noch einen militärischen Konflikt erwogen haben, um die Wahlen zu verschieben, was aber rundweg abgelehnt wurde. In jüngster Zeit war Netanjahu darum bemüht, den Konflikt mit dem Iran anzuheizen, beides vermutlich um vor seinen innenpolitischen Problemen abzulenken.

Linke bleibt abgeschlagen – Zersplitterung schreitet voran

Die politische Linke Israel, unter der Führung der einst allmächtigen Arbeiterpartei hat dem Ganzen nicht mehr viel entgegenzusetzen und bleibt marginalisiert. Hierfür sind - wie auch in anderen westlichen Gesellschaften - soziologische Ursachen und Selbstverschulden verantwortlich.

In Israel liegt es auch an der gänzlich veränderten Bevölkerungszusammensetzung, da die Sozialdemokraten weder die Millionen von Neueinwanderern aus der Sowjetunion und Äthiopien für sich gewinnen konnten, noch bei den orientalischen Juden jemals populär war.

Unabhängig davon, wer die neue Regierung anführen wird, die Zersplitterung der israelischen Gesellschaft schreitet voran.

Fazit

Ein Ende der Ära Netanjahu wäre wünschenswert, um den massiven Spannungen in der Region entgegenzuwirken. Ein Premierminister Gantz wäre sicherlich kein Friedensengel, aber weniger getrieben, die innenpolitischen Probleme durch außenpolitische Konfrontationen zu erhöhen, wie es Netanjahu tut.

Die innenpolitischen Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft, hier vor allem der Kulturkampf zwischen säkularen und ultrareligiösen Kräften, wird auch zukünftig die Außen-und Sicherheitspolitik des "Jüdischen Staates" dominieren.

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