So hoch stand der Zins noch nie in der Geschichte der EZB. Während der Blüte der „Eurokrise“ hatte ich hier gewettet, einen Besen zu fressen, und das auch noch quer, wenn die EZB jemals wieder die Zinsen stark anheben würde. Einzige Bedingung: Der Besen muss aus Lübecker Marzipan sein. Dumm gelaufen.

Tagesgeld bringt jetzt bis zu vier Prozent Zinsen. Damit wird niemand reich, aber bei 6,1 Prozent Inflation nicht ganz so schnell arm. Es gibt Banken, die zahlen noch gar nichts für Bankeinlagen. Neulich haben sie den Sparern noch „Strafzinsen“ abgeknöpft. Heute steckt sich manche Geizbank den vierprozentigen Einlagezins von der EZB einfach selbst ein. Es gibt aber auch genügend Leute, die das alles mit sich machen lassen.

Für Schuldner und Leute mit roten Kontoständen wäre der Begriff „Leid-Zins“ viel realistischer. Das jetzt hohe Zinsniveau kegelt längst schon die ersten Marktteilnehmer aus dem Rennen. Im Radio wurde darüber geklagt, dass die Schwächsten unter dem Zins leiden. Gut so. Dass es aber so viele sind, erstaunt doch. Oder auch nicht. Während der Nullzinsphase kostete Geld kaum etwas. Geschäftsmodelle entstanden auf dieser Basis, die „normale Zinsen“ nicht mehr vertragen hätten.

Es wurde gebaut, während die Immobilienpreise stiegen. Und weil diese stiegen, wurde mehr gebaut. Wer nackt in den Geldfluten unterwegs war, wird bei Ebbe sichtbar. Im Immobiliensektor, vor allem bei Gewerbeimmobilien, treibt der Sensenmann sein Unwesen. Die Hauspreise fallen. Weit weniger wird jetzt finanziert. Sämtliche Refinanzierungen sind teurer geworden, nicht nur für Leute, deren Kredit jetzt verlängert werden muss. Immobilienkredite haben die Vier-Prozent-Marke geknackt, für manche ist die jetzt fünffache Zinshöhe für Betongold unbezahlbar oder ruinös geworden.

Auch für Unternehmen und Staaten ist es sündhaft teuer geworden. Vor einem Jahr hieß es im Handelsblatt, der Schuldenberg der DAX30-Unternehmen hätte sich seit 2012 mit 256 Milliarden Euro verdoppelt. Mit den zehn zusätzlichen Mitgliedern kamen noch einmal 17 Milliarden Euro hinzu. Ob die Unternehmen bei heutigen Zinssätzen und einer schwierig gewordenen Geschäftslage weiterhin rekordhohe Dividenden ausschütten, sei mal mit drei Fragezeichen versehen.

Rund 40 Milliarden Euro kostet Deutschlands Schuldenberg allein in diesem Jahr an Zinsen. So zumindest war der Plan. Hätte man es klug angestellt, hätte der Finanzminister damals im Nullzinsland viele kurzfristige Schulden in langfristige getauscht. Aber wir wären ja nicht Deutschland, wenn wir das gemacht hätten. Unsere Nachbarn waren da klüger.

Ist der Zinsgipfel jetzt erreicht? Vielleicht. Eine Zentralbank lässt sich selten in die Karten schauen. Dieses Herumraten der Marktteilnehmer und Experten gehört zum Geschäft und zur Zinspolitik der sogenannten „Währungshüter“. Vielmehr hüten sie Geheimnisse als die Währung. Die EZB betonte, sie agiere datenabhängig. Dabei entfaltet sich doch das Unheil ihrer Zinserhöhungen erst im nächsten Jahr. Was wird dann sein? Wie damals bei der plötzlich aufgetauchten Inflation fahren die Gelddrucker im Nebel mit ihrem Zinshebel herum und würden selbst eine Kurve nicht erkennen können, selbst wenn es sie und die Wirtschaft aus selbiger trägt.

Nach eigenen Aussagen will die EZB die Inflation bekämpfen, indem sie sie Nachfrage nach Gütern, Dienstleistungen, Investitionen und Ausrüstungen dämpft. Könnte man nicht auch das Angebot ausweiten, um sie zu Fall zu bringen? Schöne Diskussion! Fakt ist, sagen Fachleute, sie kann die Inflation nicht bekämpfen, ohne die Wirtschaft zu bremsen oder zu erwürgen. Besser wäre es gewesen, sie hätte nicht für einen absurd hohen Geldüberhang durch Gelddrucken gesorgt, der sich dann als Teuerung manifestierte. Sie entzieht dem von Gelddrogen Abhängigen den Stoff, bis der randaliert.

Und wir Verbraucher? Es wäre doch eine fuchsschlaue Idee, weniger zu verbrauchen, das Geld zusammenzuhalten und die Schulden zu begleichen. Dispozinsen kosten heute schnell mal zehn Prozent. Überziehungen ruinieren noch schneller. Konsumentenkredite schlagen mit sechs, sieben oder auch mehr Prozentpunkten zu. Wer sein Konto ausgleicht, spart richtig Geld. Mit dieser Rendite der gesparten Zinsen kann der DAX kaum mithalten. Der feierte am Donnerstag übrigens den Zinsschritt, während der Euro über der Kloschüssel hing. Seltsam. Der DAX zieht sich also am Zinsstrick nach oben, der ihm später noch zum Verhängnis wird.

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