Mitte Juni wurde hier in dem Bericht Offshore-Gas im östlichen Mittelmeer – Nichts als Risiken berichtet, dass sich ein neuer großer Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und dem nördlichen Nachbarn Libanon um Gasförderrechte vor der Mittelmeerküste der beiden Nationen abzeichnet.

Dümpelte dieser nun seit mehreren Jahren anhaltende Konflikt über den exakten Verlauf der Seegrenze zwischen den beiden Nachbarn in den letzten Jahren eher vor sich hin, so beginnt sich gerade ein neuer Abgrund im Nahen Osten aufzutun.

Hisbollah-Führer Scheich Nasrallah bekräftigt seine Warnungen

Jüngst hatte Scheich Hassan Nasrallah, der Vorsitzende der schiitischen Hisbollah-Miliz im südlichen Libanon, die israelische Regierung ausdrücklich davor gewarnt, einen Gasbohrturm in jenen zwischen Israel und dem Libanon umstrittenen Küstengewässern einzusetzen.

Sollte dieser Warnung durch die Israelis nicht Folge geleistet werden, müsse mit einem Angriff der Hisbollah und einer Zerstörung dieses Gasbohrturms gerechnet werden. Auch der christliche Präsident des Libanon, Michel Aoun, hatte die israelische Regierung zuvor bereits gewarnt, dass bilaterale Verhandlungen über den exakten Verlauf der Seegrenze zwischen beiden Nationen noch nicht zu einem Abschluss gebracht worden sind.

Sollte Israel also auf eigene Faust mit Bohrungen im Offshore Gasfeld Karish beginnen, werde ein solches Handeln seitens Israels als ein „feindlicher Akt“ durch die Regierung von Staatspräsident Michel Aoun betrachtet.

Inzwischen hat Scheich Hassan Nasrallah seine Warnung bekräftigt, wonach alle israelischen Gasfelder vor der gemeinsamen Küste zu einem Angriffsziel der Hisbollah zu werden drohen. Auch vor einem Beschuss von diversen israelischen Zielen an Land werde seine Organisation nicht zurückschrecken.

Hisbollah verfügt über ein weitreichendes Arsenal an Präzisionsraketen

Seit vielen Jahren verfügt die Hisbollah über ein gut gefülltes Arsenal an Präzisionsraketen, vor denen kein anvisiertes Ziel in Israel mehr sicher ist. Letztmals war es im Jahr 2006 zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der Hisbollah und Israel im Südlibanon gekommen.

Der Nimbus der Unbesiegbarkeit, welcher die israelischen Armee Zahal bis dahin im Nahen Osten vorauseilte, bekam angesichts des durch die Hisbollah damals erzwungenen Abzugs der Israelis aus dem Südlibanon schwere Kratzer ab.

Seit gut zwei Jahren unternehmen Emissäre der US-Regierung nun schon den Versuch, in diversen Mediationsgesprächen zu einer Lösung des Konfliktes zwischen beiden Nationen auf dem Vermittlungswege beizutragen – bislang ohne irgendeinen Erfolg.

Der Ausbruch eines neuen Krieges im Nahen Osten sei zwar nicht sein erklärtes Ziel, wie Scheich Hassan Nasrallah erklärte. Nichtsdestotrotz halte die Hisbollah den Druck auf die israelische und amerikanische Seite weiter aufrecht, um die Zielsetzungen des eigenen Landes ohne Wenn und Aber durchzusetzen. Angemerkt sei hierzu, dass beide Länder Anspruch auf ein gut 330 Quadratmeilen großes Seedreieck vor deren jeweiligen Küstengebieten erheben

Wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht?

Internationale Beobachter erkennen in den vorgestern durch Scheich Hassan Nasrallah im Hinblick auf das Offshore-Gasfeld Karish bekräftigten Warnungen das Erreichen einer neuen Eskalationsstufe zwischen beiden Ländern. Der Hisbollah-Anführer wurde wie folgt zitiert:

Falls mit einer Förderung von Öl und Gas im Offshore-Feld Karish durch die Israelis im September begonnen werden sollte, bevor der Libanon seine eigenen Förderrechte erhalten hat, so würde sich eine solche Situation zu einem Problem entwickeln. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um unsere Ziele zu erreichen und durchzusetzen. Niemand wünscht sich den Ausbruch eines Krieges in unserer Region, weshalb die Entscheidung hierüber in Israels Händen, und nicht den unseren, liegt.“

Israel hat seinerseits die eigene Verteidigungsbereitschaft in der Region erhöht. In diesem Zuge wurden auch die israelischen Militärkräfte in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Im selben Atemzug warnte die israelische Regierung die Hisbollah-Führung vor harschen Vergeltungsaktionen durch die eigenen Streitkräfte.  

Israel hält Ausbruch eines Krieges für wahrscheinlich

Der israelische Generalmajor Yitzhak Brik wurde mit den Worten zitiert, dass die Drohungen der Hisbollah ernst genommen werden müssten. Denn die Hisbollah verfüge über mehr als 100.000 Präzisionsraketen und Hunderte von Militärdrohnen, die auf strategische Ziele im eigenen Land ausgerichtet seien.

Zu diesen strategischen Zielen in Israel gehörten nicht nur öffentliche Einrichtungen und private Gebäude, sondern auch israelische Gasbohrtürme vor der Küste. Es handele sich letztendlich nur um eine Frage der Zeit, wann die Hisbollah ihr Waffenarsenal zum Einsatz bringen wird.

Im israelischen Fernsehen sekundierte Yaakov Amidor, der ehemalige Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, dass es höchstwahrscheinlich zum Ausbruch eines Krieges in der Regionen kommen wird, falls es bis zum anvisierten Zeitpunkt eines Förderbeginns im Offshore-Gasfeld Karish zu keiner einvernehmlichen Einigung zwischen beiden Seiten kommt.

Anfang Juli hatten die israelischen Streitkräfte drei Drohnen der Hisbollah, die sich auf dem Weg zum Offshore-Gasfeld Karish befunden haben sollen, abgeschossen. Es dürfte sich als schwieriges Unterfangen erweisen, die sich fortsetzenden Mediationsgespräche zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Denn im Fall von Amos Hochstein handelt es sich nicht um einen parteilosen Schiedsrichter, sondern um einen in Israel geborenen und später in die USA emigrierten Mediator, der einst seinen Dienst in den israelischen Streitkräften verrichtete.

Kettenreaktion droht!

In Israel ist in den vergangenen Monaten und Jahren die Hoffnung gewachsen, in der Zukunft zu einem großen Gaslieferanten der Europäischen Union aufzusteigen. Hierin mag sich einer der Gründe finden, weswegen sich der amerikanische Emissär Amos Hochstein in der Vergangenheit gegen eine Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 ausgesprochen hatte.

Aus geopolitischer Perspektive sei gesagt, dass sich im Nahen Osten ein neuer Abgrund aufzutun droht, da die Hisbollah durch die Teheraner Regierung unterstützt wird. Sollte die Hisbollah ihren sich verschärfenden Warnungen also tatsächlich Taten folgen lassen, wovon ausgegangen werden muss, so könnte sich dieser Konflikt auch ganz schnell zu einem Krieg zwischen Israel und dem Iran ausweiten.

Wer die Entwicklungen im Nahen Osten in den vergangenen Tagen eingehend beobachtet hat, erkennt, dass die Russische Föderation die Israelis inzwischen mittels eines deutlich schärfer werdenden Tons vor weiteren Bombardierungen von syrischem Staatsterritorium warnt.

Wie die israelische Zeitung Haaretz am Dienstag unter Bezugnahme auf Regierungsvertreter des Landes berichtete, sollen russische Streitkräfte schon im Mai unter Zuhilfenahme des Luftabwehrsystems S-300 als Zeichen einer ausdrücklichen Warnung israelische Kampfjets in syrischem Luftraum beschossen haben.

Hier schließt sich ein Kreis, da die schiitische Hisbollah sich auch in einem engen Bunde mit der Regierung des syrischen Staatspräsidenten Assad sieht. Trotz der russischen Warnungen ist es in der vergangenen Woche abermals zur Bombardierung von syrischen Zielen durch israelische Kampfjets, die Tote und Verletzte zur Folge gehabt haben sollen, gekommen.

Der Moskauer Regierung scheint die Missachtung ihrer Warnungen gegenüber den Israelis inzwischen übel aufzustoßen, weil sich russische Streitkräfte vor Ort in Syrien befinden. Teile Syriens sehen sich noch immer durch amerikanische Streitkräfte okkupiert, nachdem sich der Versuch, islamistische Kräfte wie al-Qaida oder ISIS für einen Sturz von al-Assad in Syrien zu instrumentalisieren, als Fehlschlag erwiesen hat.

Erdogan fordert US-Regierung zum Abzug aus Syrien auf

Zum selben Zeitpunkt hat der türkische Staatspräsident Recep Erdogan die US-Regierung öffentlich dazu aufgerufen, aus jenen durch amerikanische Streitkräfte okkupierten Gebieten im Osten Syriens abzuziehen und die militärische Ausbildung von kurdischen Milizen im Norden des Landes zu beenden.

Diese Aufforderung muss gewiss in Zusammenhang mit dem kürzlich erfolgten Gipfel-Treffen zwischen Wladimir Putin, Recep Erdogan und Ebrahim Raisi in Teheran gesehen werden.

Während dieses Gipfels dürften Pläne der Türkei zu einer militärischen Offensive gegen die kurdischen Milizen der YPG im Norden Syriens zur Sprache gekommen sein. Der Ausbruch eines neuen Krieges zwischen Israel und dem Libanon droht letztendlich auch einen weiteren Aufstand unter den Palästinensern gegen die widerrechtliche Okkupation der Westbank durch die Israelis anzustacheln.

Oder anders ausgedrückt, würde ein potenzieller Angriff der Hisbollah gegen israelische Ziele und Einrichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, den Nahen und Mittleren Osten vollends in ein kaum mehr überschaubares Chaos zu stürzen. Die Kettenreaktionen, die mit einem solchen Angriff verbunden wären, lassen sich kaum mehr abschätzen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf eine Vielzahl von im Text verlinkten Berichten zu aktuellen Entwicklungen in der Region des Nahen und Mittleren Ostens.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland wird in diesen Tagen nicht nur in der Ukraine geführt. Vielmehr halten gefährliche Stellvertreterkriege zwischen den beiden großen Atommächten auch in Syrien, in Libyen und anderen Weltregionen an.

Dass die Volksrepublik China die Amerikaner inzwischen offen bezichtigt, den Konflikt in der Ukraine überhaupt erst angerührt zu haben, macht die Dinge nicht besser.

Es darf die vorhersehende Frage erlaubt sein, wie die sicherheitstechnische Situation auf dem europäischen Kontinent erst aussehen wird, wenn die Amerikaner (gezwungenermaßen) ihren Pivot in Richtung der Asien-Pazifik-Region vollziehen werden, und der militärische Konflikt in der Ukraine anhalten oder sich ausweiten sollte? Taiwan ist hier das Stichwort!

Sind die Europäer hierauf wirtschaftlich und militärisch auf ausreichende Weise vorbereitet??

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