Ähnlich wie im Fall der Türkei stellt sich im Hinblick auf die Loyalität Saudi-Arabiens inzwischen die Frage, zu welchem Grad das größte Ölförderland der Welt noch an der Seite des Westens steht.

Der jüngste Staatsbesuch von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien hatte dies einmal mehr zum Ausdruck gebracht. Nichts deutet darauf hin, dass die Saudis nach diesem Staatsbesuch ihre Bereitschaft dazu an den Tag legen würden, ihre eigene Ölförderung auf Ersuchen von Joe Biden auszuweiten.

Andererseits eint das saudische Königshaus, Israel und die Vereinigten Staaten ihre gemeinsam empfundene Abneigung gegenüber dem theokratischen Regime im Iran. Dazu lässt sich sagen, dass der Iran über den Verlauf der vergangenen beiden Jahrzehnte zu einer einflussreichen Regionalmacht im Mittleren Osten avanciert ist.

Die schiitische Achse

Die Regierung in Teheran unterhält nicht nur exzellente Verbindungen zu Syrien, dem Irak, dem Libanon und der Russischen Föderation, sondern lässt ihre Unterstützung auch einzelnen Gruppen unter den Palästinensern zukommen.

Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer schiitischen Landachse im Mittleren Osten gesprochen, die vom Iran über den Irak bis hin zu den Küsten des Mittelmeeres reicht. Angesichts der aktuellen Ereignisse in Israel und den Palästinensergebieten stellt sich die Frage, ob die Saudis über ihren Schatten werden springen können, um gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und Israel einen potenziellen Angriff auf den Iran zu wagen.

Nichts lässt aus aktueller Sicht darauf schließen, dass das einst zwischen der sogenannten Sechser-Gruppe sowie dem Iran – und hernach durch Präsident Donald Trump sabotierte – Atomabkommen (JCPOA) trotz zahlreicher Verhandlungen wieder in Kraft treten würde.

Die Israelis hatten in jüngster Vergangenheit zudem mehrfach darauf aufmerksam gemacht, kein Freund von erneuten Verhandlungen mit dem Iran über ein Wiederinkrafttreten von JCPOA zu sein. Ganz im Gegenteil bekräftigt Israel seine Warnungen, den Iran notfalls anzugreifen, falls die Teheraner Regierung dem Bau einer Nuklearbombe nahekommen sollte.

Im Zuge eines jüngsten Staatsbesuchs hatte Joe Biden gegenüber dem israelischen Premier Yair Lapid versichert, dass die Vereinigten Staaten darauf vorbereitet seien, alle den Vereinigten Staaten zur Verfügung stehenden Mittel – inklusive eines militärischen Angriffs – zu nutzen, um den Iran vom Bau einer Atombombe abzuhalten.

Saudi-Arabien vs. Israel und Iran: Welche Interessen überwiegen?

Unterdessen haben sich Israel und Saudi-Arabien einander angenähert. Interessant ist diese Entwicklung allein aufgrund der Tatsache, da Saudi-Arabien seinen wahhabitischen Einfluss in der gesamten islamischen Umma auszuweiten versucht, um mittels finanziellen Zuwendungen einen erhöhten Einfluss auf die Geschicke der einzelnen Länder dieser Region auszuüben.

Ähnliches lässt sich auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen dem ägyptischen Regime von Staatschef al-Sisi, das nicht nur die heimische Opposition auf massive Weise unterdrückt, sondern auch die gemeinsame Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen auf Ersuchen Israels geschlossen hält, sagen.

Es mag diese Übereinkunft zwischen den USA, Saudi-Arabien und Israel sein, die den Israelis eine entsprechende Rückendeckung für mehrfach auf iranischen Staatsgebiet durchgeführte Operationen verliehen haben mag, um vermeintliche Bestrebungen des Irans in dieser Sache zu sabotieren.

In diese Beobachtungen reiht sich die Ermordung des iranischen Kommandeurs der sogenannten Quds-Brigaden, General Kassem Soleimani, im Januar 2020 durch die Amerikaner ein. Es lässt sich davon ausgehen, dass es längst zum Ausbruch eines großen Krieges in der Region gekommen wäre, falls der Iran auf ähnliche Weise auf israelischem Staatsgebiet vorgegangen wäre.

Bislang hat sich die iranische Führung mit offenen Vergeltungsschlägen gegenüber Israel auf eine recht besonnene Weise zurückgehalten. Anfang Juli hatte Irans Regierung die Internationale Atomenergiebehörde allerdings darüber in Kenntnis gesetzt, fortan Zentrifugen des Typs IR-6 in der eigenen Urananreicherung zu verwenden.

Die damit in Zusammenhang stehende Absicht ziele laut jener gegenüber der IAEA getätigten Angaben auf eine Erzeugung von Uranisotopen mit einem Anreicherungsgrad von zwanzig Prozent in dem Untergrundbunker Fordow ab. Unter dem einstigen Atomabkommen war dem Iran nur ein Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent erlaubt.

Wie dem auch sei, so an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Bau einer Nuklearbombe einen Urananreicherungsgrad von gut neunzig Prozent voraussetzt. Israel hatte Anfang Juni für den Fall eines eigenen Angriffs auf den Iran schon einmal einen finanziellen Betrag in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar beiseitegelegt.

Gleichzeitig hielt die israelische Armee weitreichende Militärübungen ab, um sich auf einen vermeintlichen Angriff auf den Iran bestmöglich vorzubereiten. Hauptziel eines solchen Angriffs wäre die Zerstörung der iranischen Nuklearanlagen.

Ähnlich wie seinerzeit im Fall des Iraks, scheint die israelische Regierung auch jetzt wieder einen verstärkten Einfluss auf die US-Regierung auszuüben, um die USA zur Unterstützung bezüglich eines militärischen Angriffs auf den Iran zu drängen.

Saudi-Arabien, das der islamischen Umma wiederum den eigenen Stempel aufdrücken möchte, hatte seine bilateralen Beziehungen zum Iran über den Verlauf der letzten Jahre nach der Tötung des schiitischen Klerikers Scheich Nimr al-Nimr ein wenig entspannt.

Mit chinesischer Unterstützung haben die Saudis eine Uranerz-Fabrik gebaut, um sich überdies in den Besitz von ballistischen Raketensystemen zu bringen. Rückblickend auf das Jahr 2017 unterzeichneten die Saudis eine Reihe von Abkommen mit den USA, welche einen Kauf von diversen Waffensystemen in einem Gesamtumfang von 460 Milliarden US-Dollar in zehn Jahren vorsehen.

Ein Krieg gegen den Iran würde sich zu einem Flächenbrand ausweiten

Summa summarum lässt sich vorhersagen, dass ein Krieg gegen den Iran sich wohl zu einer wahren Katastrophe ausweiten würde. Denn ein schneller Flächenbrand in der Region des Nahen und Mittleren Osten würde die unmittelbare Folge sein. Nicht nur die Hisbollah im Südlibanon, sondern Schiiten in der gesamten Region würden einen Angriff auf den Iran als einen religiös bedingten Krieg gegen das Schiitentum auffassen.

Allein von den rund zwei Millionen Schiiten im ölreichen Osten Saudi-Arabiens, zudem in Bahrain, im Irak, in Syrien, im Libanon, im Jemen, in Pakistan und in der Türkei würden unter aller Voraussicht enorme Gefahren ausgehen.

Der Iran käme wahrscheinlich nicht nur auf die Idee, die Straße von Hormus zu schließen, um mehr als zwanzig Prozent des internationalen Öltransportgeschäfts lahmzulegen. Vielmehr ließe sich auch davon ausgehen, dass die Teheraner Führung durch die Volksrepublik China gelieferte Anti-Schiffsraketen gegen ihre Gegner zum Einsatz bringen würde.

Es heißt, dass sich mit diesen Systemen selbst Flugzeugträger versenken lassen sollen. Zudem würde ein Anteil von dreizehn Prozent der weltweiten Öllieferungen, für welche der Iran verantwortlich zeichnet, wohl vom Markt verschwinden. Laut Finanzmarktanalysten wären in einem solchen Fall Ölpreise von über fünfhundert US-Dollar möglich.

Um das ganze Szenario ein wenig weiter zu spinnen, würde israelisches Staatsgebiet wohl nicht nur unter einen massiven Beschuss durch die rund einhunderttausend Präzisionsraketen der Hisbollah, sondern auch mittels ballistischen Raketen des Typs Shabab-3 aus dem Iran geraten.

Nichtsdestotrotz steht die Frage im Raum, weshalb die USA, Israel und Saudi-Arabien sich nicht auf eine gemeinsame Gangart gegen den Iran einig werden sollten? Israel, das sich für Tausende Todesopfer unter Zivilisten im Gaza-Streifen und auf der Westbank verantwortlich sieht, sowie Saudi-Arabien und die Vereinigten Staaten, deren Kriege im Jemen, im Irak und in Afghanistan zu Hunderttausenden von Toten und Millionen von Flüchtlingen geführt haben, dürften nicht allzu viele Gewissensbisse umtreiben.

Erst kürzlich war Joe Biden auf die scharfe Kritik unter demokratischen Abgeordneten an Israel und der Behandlung der Palästinenser durch die israelische Regierung in einem Fernsehinterview eingegangen, um wie folgt zu konstatieren:

Ich denke, dass diese Kritik an Israel falsch ist. Israel ist unser Verbündeter. Israel ist ein befreundetes Land, so dass ich mich für meine jetzigen Aussagen bei niemandem entschuldigen werde.“

Unter den Demokraten beginnt sich die Befürchtung durchzusetzen, dass das Weiße Haus und Joe Biden weder Saudi-Arabien noch Israel zur Verantwortung aufgrund von deren begangenen Taten ziehen werden. Im Hinblick auf die Saudis lastet insbesondere die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi auf den amerikanisch-saudischen Beziehungen.

Menschenrechte und Realpolitik passen irgendwie nicht zusammen

So etwas nennt sich dann wohl Realpolitik. Von „Menschenrechten“ kann beziehungsweise darf aus Sicht der USA und des Westens in manchen Fällen plötzlich keine Rede mehr sein! Dass sich insbesondere die USA noch eine gewisse Art von Tugendhaftigkeit erhalten haben wollen, verkommt zu einer reinen Selbstillusion, wenn bedacht wird, in welcher Geschwindigkeit die moralische und gesellschaftliche Degeneration in den Vereinigten Staaten selbst voranschreitet.

Die Vermögensungleichheit, Massenschießereien sowie die daraus resultierenden Todesopfer und Verwundeten, der vielerorts verwahrloste Zustand der amerikanischen Infrastruktur und eine sich zu einem Kampf auf Leben und Tod entwickelnde Spaltung zwischen Roten und Blauen und deren grundverschiedenen Kulturansichten runden dieses Bild ab.

Man möchte sich kaum vorstellen, zu welchen Vergeltungsaktionen es unter den Republikanern gegenüber den Demokraten ab Spätherbst nach einer möglicherweise roten Welle im Zuge der Mid-Term-Wahlen erst noch kommen könnte – geschweige denn im Fall einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus im Jahr 2024.

Unter Muslimen herrschen im Allgemeinen dieselben Vorurteile gegenüber Amerika wie unter Guatemalteken, Mexikanern, Nicaraguanern, Panamaern, Argentiniern, Kubanern, Brasilianern, Irakern, Indonesiern, Vietnamesen oder Chinesen vor: Es handelt sich hierbei um denselben Zorn oder Abneigung unter Menschen, deren Länder durch amerikanische Geheimdienste wie die CIA oder durch die USA vom Zaun gebrochene Kriege heimgesucht worden sind.

Niemand ist für diese Taten bislang zur Verantwortung gezogen worden. Beispielsweise war die CIA bis heute damit erfolgreich, jedwede Untersuchungen zu den eigenen Folterprogrammen zu verhindern. In diesem Zuge wurden dann auch schon mal Videotapes, die als Beweise im Fall von gewaltsamen Verhören gedient hätten, zerstört.

Auf eine ähnliche schwache Weise, auf die Joe Biden zuletzt gegenüber dem durch seine Partei als „Pariastaat“ bezeichneten Saudi-Arabien aufgetreten ist, wiederholt sich diese Vorgehensweise gegenüber Israel.

Bombardierungen und Angriffe auf Palästinenser samt einer illegitimen Ausweitung des jüdischen Siedlungslandes auf der Westbank werden durch die US-Regierung heutzutage nicht einmal mehr offen kritisiert.

Beobachter und Kommentatoren stellen sich überdies die Frage, wie die amerikanische Regierung Nicaragua, Venezuela und Kuba von der jüngst in Los Angeles abgehaltenen Konferenz der amerikanischen Staaten ausschließen konnte, während den beiden Regimen in Saudi-Arabien und Israel praktisch Narrenfreiheit gewährt wird?!

Mit welchem Recht verurteilt die US-Regierung durch die Russische Föderation begangene Kriegsverbrechen in der Ukraine, wenn sich Amerika in den vergangenen zwanzig Jahren eben solcher Verbrechen im Nahen und Mittleren Osten selbst schuldig gemacht hat?!

Die hier zur Anwendung kommenden, moralischen Doppelstandards sind der Welt seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine keineswegs verborgen geblieben. Im Gegenteil erweckt es den Eindruck, als ob im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika ein guter Teil des einstigen Lacks ab zu sein scheint.

Als größte Schuldnernation der Welthistorie und aus dem Blickwinkel eines mit hohem Tempo voranschreitenden Wirtschafts- und Gesellschaftsniedergangs in den USA wird es keine Frage des Ob, sondern nur des Wann sein, bis die USA sich aus dem Rest der Welt werden zurückziehen müssen.

Tragisch an der Sache ist, dass ein an nahezu allen Fronten im Niedergang befindliches Amerika sich dazu entschlossen zeigen könnte, den Rest der Welt mit in den Abgrund zu ziehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Seite von consortiumnews.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Konkret heißt das, dass sich die Karten auf der geopolitischen Bühne neu mischen werden, denn schließlich geht es in dem sich forcierenden Kampf zwischen West und Ost / globalem Süden um nichts anderes als eine neue Weltordnung. Die Verteidigung von Menschenrechten ist im Kampf um die Vorherrschaft dieser neuen Weltordnung doch eher hinderlich. Vielmehr ist Pragmatismus gefragt. Nur lassen Sie sich von den Abendnachrichten nicht mehr erzählen, dass doch alles ganz anders sei…

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