John D. Rockefeller war Amerikas erster Milliardär. Er baute ein Ölimperium auf, das zeitweise rund 90 Prozent des amerikanischen Raffineriegeschäfts kontrollierte. Seine Konkurrenten trieb er mit rüden Methoden in den Ruin. Aber er war ein gläubiger Protestant, der beruflichen Erfolg für seine Pflicht vor Gott hielt. Am Sonntag, nach dem Gottesdienst, fegte er gelegentlich die Kirche.

Sein Vermögen, so errechnete das Wirtschaftsmagazin Forbes, betrug zu Beginn des letzten Jahrhunderts (unter Berücksichtigung der Inflation) rund 300 Milliarden Dollar. Aber nichts deutete darauf hin, dass Rockefeller, der 1839 als Nachfahre des 1723 aus Altwied (Rheinland-Pflanz) nach Amerika ausgewanderten Johann Peter Roggenfeller geboren wurde, einmal einer der reichsten Männer der Geschichte werden sollte. Johns Vater, ein »Kräuterdoktor« und Hausierer, gab sich in den Dörfern gelegentlich als Arzt aus. Seine Mutter war eine gottesfürchtige Bauerntochter. Das Geld war knapp, John war so schäbig gekleidet, dass er nicht aufs Klassenfoto durfte. »Ich erinnere mich nicht, jemals vernachlässigtere Kinder gesehen zu haben«, erinnerte sich später ein Nachbar. John war kein guter Schüler. Lediglich in Mathematik hatte er sehr gute Zeugnisse. Mit 16 trat er in Cleveland eine Stelle als Lehrling bei einer Speditionsfirma an, wurde später Buchhalter mit einem Monatsgehalt von 50 Dollar. Der Umgang mit Zahlen faszinierte ihn. Oft war er am Morgen bereits um halb sieben im Büro, gelegentlich verbrachte er die halbe Nacht mit dem Addieren von Zahlen. Neben der Arbeit war der Glaube sein zweiter Lebensinhalt. Am Sonntag ging er zur Kirche, er protokollierte die Sitzungen des Pfarrgemeinderats und las den Kindern aus der Bibel vor. Nach dem Gottesdienst fegte er die Kirche.

Aus Enttäuschung über eine verweigerte Gehaltserhöhung kündigte Rockefeller und gründete als 19-Jähriger zusammen mit einem Freund ein eigenes Handelshaus. Das Geschäft boomte, Millionen Einwanderer strömten damals nach Amerika, und der beginnende Bürgerkrieg steigerte noch die Nachfrage. Rockefeller drückte sich mit einer Spende vor der Einberufung zum Militär,­ handelte erst mit Fleisch und Getreide, investierte dann in das Geschäft mit Erdöl aus Pennsylvania, mit dem die bisher meist mit Walfischtran betriebenen Lampen befüllt wurden. Rockefeller kaufte eine kleine Raffinerie. Er glaubte, dass mit der Umwandlung von Erdöl in Kerosin höhere Gewinne zu erzielen seien als mit der Suche nach Ölquellen. Die Raffinerie warf so hohe Gewinne ab, dass er immer mehr Raffinerien kaufte und die Expansion mit Krediten finanzierte. Zins und Tilgung bezahlte er pünktlich, aber sein Geschäftspartner drängte ihn zu einem langsameren Wachstum. Er nannte Rockefeller »den größten Schuldenmacher, dem ich je begegnet bin«. Es kam zum Bruch, Rockefeller ersteigerte schließlich die Firma für 72.500 Dollar. Ihm war klar, dass jetzt die Zeit gekommen war, in der man als Unternehmer entweder wächst oder untergeht. Später pflegte er zu sagen: »Ich verweise immer auf diesen Tag als Anfang des Erfolgs, den ich im Leben hatte.«

1870 entstand aus dem Unternehmen die Standard Oil Company, die erste Erdölgesellschaft der USA. Es besaß zwar die größte Raffinerie in Cleveland, aber überall in Amerika entstanden jetzt Konkurrenzunternehmen – Rockefeller erkannte, dass Standard Oil schnell wachsen musste, denn nur so konnte das Unternehmen in dem umkämpften Markt günstiger einkaufen, günstiger produzieren und schließlich die billigsten Preise anbieten. Er setzte auf die Macht der Masse und wandte zur Erreichung seiner Ziele alle Mittel an: Er trieb Konkurrenten in den Ruin oder übernahm sie, er setzte Spione und Strohmänner ein, arbeitete mit Bestechung, bildete mit anderen Raffineriebesitzern ein Kartell, um bei den Eisenbahngesellschaften die Transportpreise für Öl zu drücken. Innerhalb eines Jahres übernahm er fast alle Konkurrenten in der Region. Standard Oil war jetzt ein Großkonzern. Er verkaufte das Petroleum bis nach Europa und Asien. John D. Rockefeller war gerade mal 33 Jahre alt. Er kontrollierte 90 Prozent des amerikanischen Raffineriegeschäfts.

Trotz seines Reichtums lebte er anspruchslos, ja geradezu asketisch. Er rauchte und trank nicht, ging nicht ins Theater, seine fünf Kinder erhielten weniger Taschengeld als ihre Mitschüler. Später, als Pipelines die Eisenbahnen als Transportmittel für Erdöl ablösten, kaufte Rockefeller ganze Landstriche, um zu verhindern, dass die Konkurrenz dort Rohre verlegte. So errichtete er in Pennsylvania riesige eigene Pipeline-Netze, darunter eine über 6.000 Kilometer lange Pipeline von Ohio nach Pennsylvania. Rockefellers Biograf Chernow schrieb später: »Sobald ein Ölsucher auf Öl stieß, war Standard Oil da, um seine Quellen anzuschließen. Das sicherte die Existenz des Ölproduzenten ebenso wie seine unwiderrufliche Abhängigkeit vom Konzern«.

Bisher hatten die Eisenbahngesellschaften 40 Prozent ihres Umsatzes mit dem Transport von Rockefellers Öl gemacht. Der Pipeline-Boom führte jedoch dazu, dass ein Drittel der 360 Eisenbahngesellschaften des Landes bankrottgingen. Die große Depression nach dem Crash an der New Yorker Börse im Jahr 1873 überstand Rockefeller schadlos. Für ihn war die Krise eine Gelegenheit, seine wenigen verbliebenen Konkurrenten zu Schnäppchenpreisen seinem Imperium einzuverleiben.

Um die Jahrhundertwende, als ein Arbeiter in den USA durchschnittlich acht bis zehn Dollar pro Woche verdiente, wurde Rockefeller unermesslich reich. Aber Amerikas Öffentlichkeit reagierte zunehmend mit Wut auf die rücksichtslosen und zum Teil ungesetzlichen Methoden des Monopolisten Standard Oil. Das Unternehmen stand symbolhaft für »Big, bad business«. Die Anti-Trust-Gesetze, die 1890 vom Kongress erlassen wurden, hatten hauptsächlich Rockefellers Aktivitäten im Visier. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, aber es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis schließlich 1911 der Oberste Gerichtshof der USA die Zerschlagung des Konzerns anordnete. Standard Oil wurde in 34 Teile zerlegt, aus denen Ölkonzerne wie Exxon, Chevron, Mobil und Amoco hervorgehen sollten.

Der Aktienkurs von Standard Oil brach massiv ein. Aber Rockefeller setzte auf eine Kurserholung und kaufte in großem Stil Aktien seines Unternehmens auf. Er sollte recht behalten: Das Automobil ersetzte jetzt den Pferdekarren und in Europa begann der Erste Weltkrieg – das katapultierte den Bedarf an Erdöl in unvorstellbare Dimensionen, und Rockefeller verdiente dank der beginnenden Börsenhausse rund 200 Millionen Dollar. Rockefeller hatte sich bereits 1897 aus dem Management zurückgezogen. Vor seinem Tod im Jahr 1937 spendete er fast die Hälfte seines Vermögens für wohltätige Projekte. Er unterstützte die medizinische Forschung, finanzierte die Gründung der University of Chicago, stiftete Schulen, Museen und Bibliotheken. Wohl nicht aus schlechtem Gewissen, sondern aus religiösen Gründen. Er war stets der Meinung, dass Gottes Gunst sich am Geld ablesen ließe, am Lohn für die Fleißigen und Sparsamen. Aber er glaubte auch, dass er die Milliarden, die ihm der Herr gab, nicht für sich behalten dürfe.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Die Erfolgsgeheimnisse der Börsenmillionäre“, FBV

 

Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift "ERFOLG" erschienen. Die vollständige Ausgabe finden Sie unter dem nachfolgenden Titelbild.

 

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