Eine Nachricht auf verschiedene Weise erzählt

Wer die deutschen Fernsehnachrichten und Agenturberichte zum Thema Griechenland aufmerksam verfolgt, wird bemerken, dass es einen Tenor zum erneuten Scheitern der Verhandlungen der Eurogruppe vom 22. Mai gibt. Griechenland hat Sparmaßnahmen ergriffen, bekommt aber trotzdem keine neuen Kredite.

Auf der anderen Seite, in Griechenland, kommt als Nachricht an, dass die Griechen trotz tief einschneidender sozialer Einschnitte, Rentenkürzungen von nun knapp 45 Prozent im Verhältnis zu 2010, Streichungen von Beihilfen für Witwen und Waisen und zahllosen Steuererhöhungen, erneut von einem Mann bestraft werden. Die Griechen sehen in ihren Nachrichtensendungen und auf ihren Titelseiten der Zeitungen neben den Schlagzeilen den Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. Sie erfahren, dass Griechenland trotz der Erfüllung der Auflagen des dritten Memorandums zu den Kreditpaketen der Kreditgebertroika die seit mehr als einem Jahr ausstehende Kredittranche des dritten Rettungspakets weiterhin nicht erhält. Dazu kommt, dass zusätzlich zu den Auflagen des dritten Memorandums am vergangenen Donnerstag ein viertes Zusatzmemorandum im Eilverfahren durch das Athener Parlament gepeitscht wurde. Kaum jemand war in der Lage die knapp 950 Seiten des Vertragswerks innerhalb von vier Tagen durchzulesen, geschweige denn sämtliche Folgen der von den Kreditgebern diktierten verklausulierten Bedingungen zu begreifen.

Welche Wirkung haben die Reformen?

Bei einigen der so genannten Reformgesetzen ist bereits jetzt deutlich, wohin sie abzielen. Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf die Sonntage für das gesamte Land wird den Konsum der Griechen nicht anheizen können, zumal gleichzeitig die Reallöhne durch weitere Reformen empfindlich gesenkt wurden. Was in touristischen Regionen, wo die Ladenschlusszeiten während der Saison bereits vor den jüngsten Gesetzen praktisch nicht existent waren, sinnvoll erscheint, führt in urbanen Zentren zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Mit den erweiterten Ladenschlusszeiten können faktisch nur die großen, internationalen Konzerne wirtschaften. Diese können die erforderlichen Mehrausgaben für das Personal mit unterschiedlichen Tricks erfolgreich mindern. Für kleine und mittelständische Betriebe ist dies nahezu unmöglich. Bei Familienbetrieben zerstört die Sieben-Tage-Woche des Einzelhandels zudem die gesamte Lebensplanung. Die kleinen und mittleren Betriebe, denen die Schließung droht, haben jedoch ihren steuerlichen Sitz in Griechenland. Sie führen anders als die internationalen Handelsketten, ihre Steuern im Heimatland ab. Große Verbrauchermärkte können den griechischen Gewinn dagegen mit Sparkonstruktionen über in Luxemburg geparkte Markenrechte kleinrechnen. Es ist bereits jetzt ersichtlich, dass die fragliche Maßnahme für den Staat keine Mehreinnahmen generieren, sondern höchstwahrscheinlich zur Erhöhung von Arbeitslosigkeit und Rezession beitragen wird. Den Griechen wird diese Dimension der Reformen tagtäglich vorgerechnet. In der Präsentation des „reformunwilligen“ Hellas in den deutschen Medien fehlt sie fast völlig.

Die Kreditgebertroika

Zudem handelt es sich bei den ausstehenden Geldern der Kreditgebertroika nicht um neue Kredite, sondern um einen Teil des 2015 ausgehandelten und vereinbarten Gesamtpakets. Die Kredittranchen sollten als Druckmittel dazu dienen, dass die mit dem Kreditpaket verbundenen Bedingungen auch tatsächlich durchgeführt werden. Im aktuellen Fall stehen zwar im Juli 2017 Zahlungen für Altkredite an, die ohne die Gelder der Tranche nicht geleistet werden können, die Tranche selbst sollte jedoch laut ursprünglichem Vertrag für andere Zwecke eingesetzt werden. Der griechische Staat hat nicht nur gegenüber seinen Kreditgebern, sondern auch gegenüber seinen Handelspartnern Verpflichtungen. Die Tatsache, dass die Gelder der Tranche im griechischen Wirtschaftsleben fehlen, verstärkt die Rezession.

Das in Griechenland „viertes Memorandum“ genannte Zusatzpaket an Maßnahmen wurde zum größten Teil als Vorbedingung für eine weitere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds. Der IWF hat in Einklang mit der griechischen Regierung konstatiert, dass die Schulden des Landes nicht tragfähig sind und dass die Verzögerung der Tranchenauszahlung die Wirtschaft nachhaltig gestört hat. Die dem dritten Kreditpakt zugrundeliegenden Eckdaten für das Wachstum mussten bereits mehrfach nach unten korrigiert werden. Dies wiederum verstärkt die Untragbarkeit der aktuellen Schuldenlast.

Der Glaube an Reformen

Zu den Gefahren, welche Griechenland hinsichtlich seiner Wirtschaftsentwicklung wegen des erneuten Scheiterns der Verhandlungen meistern muss, gehört selbstverständlich der erneut drohende Staatsbankrott ebenso, wie die weitere Verzögerung von Investitionen. Dazu kommen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit neue Sparauflagen, wie sie bereits jetzt vom europäischen Währungskommissar Pierre Moscovici angekündigt wurden.

Zu guter Letzt trägt das erneute Scheitern der Verhandlungen weiter zur Demontage des Premierministers Alexis Tsipras bei. Der hinsichtlich seiner realen Politik in Griechenland nur noch von den eigenen Anhängern als Linker bezeichnete Regierungschef könnte mit Neuwahlen die Notbremse ziehen, scheut sich aber noch vor diesem Schritt. Die gesamte Opposition hat sich dagegen, mit Ausnahme der nationalsozialistischen Goldenen Morgenröte, verbal so positioniert, dass sie den Griechen linker als Tsipras erscheint. Dabei ist den Wählern bereits jetzt bewusst, dass „auch die anderen ohne den Segen Berlins keine sinnvolle Politik machen können“.

Die dem deutschen Medienkonsumenten kurz und wahrscheinlich nach der x-ten Wiederholung langweilig erscheinende Nachricht über das erneute Scheitern von Kreditverhandlungen zu Griechenland bedeutet für die Griechen einen weiteren Schritt zu einem ihnen unbekannten Abgrund. Sie vermindert die Zahl derer, die noch an einen Sinn von Reformen glauben.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"